Zeugen der Eiszeiten

Der Mensch beeinflusst die Erde und seine Umwelt maßgeblich. Er baut Siedlungen, Straßen, Flughäfen oder Fabriken. Fahrräder sind nicht nur Fortbewegungsmittel, sondern auch eine Möglichkeit Freiheit zu erleben. Die Freiheit fernab der großen Metropolen ist es, die von uns Radfahrern Tag um Tag, Jahr für Jahr, gesucht wird. Oft sind wir so in unseren Gedanken und Alltagsproblemen gefangen, dass wir die Charakteristik der Landschaft um uns herum nicht in ihrer Umgänglichkeit wahrnehmen. Teilweise wissen wir aber gar nicht was uns umgibt. Menschen beeinflussen zwar das Aussehen der Landschaft, die großen geographischen Strukturen wurden aber von der Natur selbst geschaffen. Klimawandel findet quasi immer statt und die letzten Kaltzeit in Europa haben dem Alpenraum ihren Stempel aufgeprägt. Unsere dreitägige Graveltour führt uns durch das Bayerische Alpenvorland, wo die Zeugen der letzten Kaltzeit auf uns warten.

Tag 1 – 148 Kilometer, 1.363 Höhenmeter

Wir starteten am ersten Tag am Flughafen München-Freising. Unsere Tour führt uns zunächst durch eine ausgedehnte Schotterebene. Während der letzten Kaltzeit ragten Gletscher von den Alpen weit nach Norden. Bei ihrem Rückzug vor 15.000 Jahren durch die globale Erwärmung, spülte das Schmelzwasser der Gletscher Kies und Sand heran. Es entstand eine Ebene, die Münchner Schotterebene. Hier legten wir die ersten Kilometer durch ein Moosgebiet zurück. Mit dem Erreichen des ausgedehnten Ebersberger Forstes standen die ersten Hügelketten an, die Relikte ehemaliger Gletschermoränen. Nach dem Durchqueren des Inntals, gelangten wir ans erste Zwischenziel auf unserer Reise, den Chiemsee, auch Bayerisches Meer genannt. Er ist der größte See im Bundesland Bayern. Nach einer kurzen Rast am See, ging es weiter Richtung Alpenrand. Wir erreichten in der Dämmerung das „Bayerische Meran“, am Fuß des Wendelsteins, einem markanten Berggipfel des Alpenvorlands. Die waldreiche Umgebung hat ihren Namen aufgrund des milden Klimas und ist durch die Moorvorkommen ein Heilkurort. Wir übernachteten in einem urtümlichen bayerischen Gasthof.

Tag 2 – 129 Kilometer, 1.834 Höhenmeter

Am zweiten Tag wurden wir von den ersten Sonnenstrahlen geweckt. Im Alpenvorland herrschte ein kräftiger Südwind. Unter Föhneinfluss kommt es im Alpenvorland regelmäßig zu einem markanten Temperaturanstieg. Selbst im Winter sind so 20 Grad möglich. So erwartete uns ein warmer Tag. Nach einem ausgiebigem Frühstück starteten wir in die Ausläufer der Alpen. Am unmittelbaren Alpenrand leben die Menschen hauptsächlich von zwei Dingen: der Landwirtschaft und dem Tourismus. In Zeiten von Corona durchläuft der Tourismus eine harte Zeit. Dennoch nutzen viele Einheimische die Region für den Freizeitsport. Die dortigen Seen sind wahre Ausflugsmagnete. Als erstes passierten wir den schönen Schliersee und erreichten den Fuß des Spitzingsattels. Wir fuhren den Gebirgspass über die kleine Passstraße hinauf, die maximal 14 % Neigung erreicht.

Kurz hinter der Kuppe liegt der Spitzingsee und der Zugang zur Valepp. Die Valepp ist ein Gebirgstal, dass für Autos teilweise gesperrt ist und dadurch teilweise sehr einsame und wunderschöne Abschnitte für Wanderer und Radfahrer aufweist. Durchquert man das Tal, so gelang man an einen der wohl berühmtesten Seen, dem Tegernsee. Der Tegernsee entstand in der letzten Kaltzeit durch die erosiven Kräfte des Inntal-Gletschers, dessen ehemaliges Zungenbecken sich später mit Wasser füllte und gab dem See seine charakteristische langgestreckte Form. Jeder einzelne der Seen lädt ein, sich ans Ufer zu setzen, Vögeln und Wassersportlern zuzuschauen. Wir machten Pause am Seeufer. Mittlerweile war es Nachmittag und die Tage waren kürzer, so dass wir uns anschickten das Tempo etwas anzuziehen. Nun führte die Route weg von den touristischen Seen und über kleine Wald- und Feldwege geht es in einsamere Gefilde. Kurz nach Sonnenuntergang erreichen wir Weilheim. Hier wohnt unser Freund Philipp, der ebenfalls leidenschaftlicher Rennradfahrer ist. Wir hatten ihn beim bekannten Alpenradrennen, dem Ötztaler Radmarathon, kennengelernt. Just an diesem Tag hatte er geplant mit seinem Sohn Patrick, dessen erste Fahrt über den Alpenpass Kühtai zu unternehmen. Beide trafen kurz vor uns ein. Wir verbrachten einen grandiosen Abend.

Tag 3 – 130 Kilometer, 849 Höhenmeter

Der nächste Tag brachte dicken Nebel am frühen Morgen. Das war nicht verwunderlich, denn unsere Tour führte nun durch das sogenannte Fünf-Seen-Land, dass neben fünf großen Seen auch zahlreiche über zahlreiche Naturschutzgebiete, Moorlandschaften und Weideland einschließt. Die fünf namensgebenden Seen sind Ammersee, Starnberger See, Wörthsee, Pilsensee und Weßlinger See. Sie entstanden als sich der letzte Gletscher mit der globalen Erwärmung verschwand.

In dieser Region ist die Luft recht feucht und es bilden sich gerade im Herbst ausgedehnte Nebelgebiete. Wir ließen uns mit dem Frühstück Zeit und starteten, als sich die Nebelfelder begannen aufzulösen. Uns erwartete eine sehr hügelige Landschaft, die in erster Linie durch die Erosion und Ablagerungen der Gletscher der letzten Kaltzeit entstand. Heutzutage wechseln sich in der Moränenlandschaft Nadel- und Laubwälder mit landwirtschaftlichen Grünfluren und Äckern ab. Es gibt steile Hanglagen und markante Höhenunterschieden zwischen den Seen und dem Umland. Auf einer dieser Anhöhen liegt das berühmte Benediktiner Kloster Andechs. Aufgrund der Corona-Situation waren größere Menschenansammlungen zu meiden und wir passierten die größeren Siedlungen zügig und tauchten in einen ausgedehntes Waldgebiet ein. Unsere Route führte uns knapp nördlich des Flusses Amper nördlich von München zurück nach Freising.

Wir hielten an einem der Verkaufsstände für Kürbisse und ich kaufte einen kleinen Zierkürbis, der gerade noch so in meiner Satteltasche Platz fand. Mittlerweile war es warm geworden und unser Wasser ging zur Neige. Die letzten Kilometer trieb uns der Durst an, die herbstliche Landschaft entschädigte aber tausend mal mehr. Schließlich trafen wir zufrieden und glücklich am Ausgangspunkt ein.

Englisches Original mit allen Fotos demnächst auf der 3T Blog page

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