Frauen und Radsport

In einigen Ländern der Erde ist das Fahrradfahren von Frauen gesellschaftlich geächtet oder sogar gesetzlich verboten. Iran, Irak oder Syrien gehören dazu. Auch in Europa gab es eine Zeit, in der man Frauen lieber hinter dem Herd sah, als auf einem Fahrrad. Ende des 19 Jahrhunderts gab es erste Radsport-Wettkämpfe von Frauen auf der Straße und auf der Bahn. Mit Rekordleistungen und großen Distanzen konnten Frauen damals glänzen, bevor nationale Verbände Frauen die Teilnahme an Rennen zu Beginn des 20 Jahrhunderts untersagte. Erst in den letzten Jahrzehnten können Frauen wieder verstärkt aktiv Radsport mit Wettkämpfen betreiben. Dennoch gibt es bis heute merkliche Unterschiede zwischen dem Profiradsport der Männer und der Frauen, angefangen beim Gehalt bis hin zur maximalen Länge von Rennen. Schlägt dies auf den Amateurbereich durch? Oder hat es ganz andere Gründe, dass viel weniger Frauen Rennrad fahren als Männer? 2020 lag der weibliche Anteil an Rennradfahrern in Deutschland bei 27 Prozent. Dabei ist die Anzahl an Radfahrerinnen in den letzten Jahren stetig gewachsen. Viele Frauen bleiben bei ihren Trainingsfahrten lieber unter ihres Gleichen und meiden gemischte Gruppen mit Männern oder drehen alleine ihre Runden. Was sind die möglichen Gründe hierfür? Fahren Frauen anders Rad? Was sind die Vorteile reiner Frauengruppen? Diese und noch viele weitere Dinge bzgl. des Frauenradsports möchte ich hier versuchen zu beleuchten. Dazu habe ich aktive Radsportlerinnen aus den unterschiedlichsten Bereichen befragt.

Bildquelle: https://www.veloine.cc/blogs/stories/aw20

Sandra Waschnewski ist leidenschaftliche Radfahrerin und Mitbegründerin von Veloine. Veloine bedeutet übersetzt so viel wie „Radheldin“. Veloine ist eine Premium-Radsportbekleidung ausschließlich für Frauen und seit 2019 auf dem Markt. Veloine gewann im diesjährigen ISPO Brandnew Wettbewerb 2021 für die Innovation in der Frauen-Radsport-Bekleidung. Insbesondere mit dem Cycling Kit speziell für schwangere Frauen konnte Veloine die Jury überzeugen.

Wie wurde die Idee zu Veloine geboren?

Sandra: Wie es oft bei Start-ups der Fall ist, entstand die Idee aus der persönlichen Leidenschaft und dem eigenen Bedarf. Obwohl Frauen mittlerweile über ein Viertel der Radsportler ausmachen (Tendenz steigend), ist bei vielen Marken das Angebot für Frauen deutlich kleiner als das für Männer. Vielmehr noch hat mich das Bild gestört, dass teilweise von Frauen auf dem Rad gezeichnet wird, vieles ist sehr mädchenhaft und verspielt. Das entsprach nicht meinem Bild dieses Sports. Wir haben eine Lücke gesehen für Bekleidung, die sowohl Performance als auch Design orientiert ist und es schafft, moderne Fahrerinnen viel besser anzusprechen. 

Hast Du Veränderungen in den letzten Jahren wahrgenommen?

Sandra: Seit unserer Gründung 2018/2019 hat sich vieles getan in der Branche – aber man kann sagen, dass Frauen im Radsport immer noch deutlich unterrepräsentiert. Das fängt bei der Auswahl an Bekleidung an, und hört bei der (mangelnden) Bezahlung von Frauen im Profi-Radsport auf. Wir wollen daher unseren – wenn auch kleinen – Beitrag dazu leisten, Frauen mehr Raum in diesem Sport zu geben, ihnen ein Gefühl von Stärke zu vermitteln, und besser auf frauenspezifische Bedürfnisse einzugehen

Veloine organisiert auch Gruppenausfahrten für Frauen, warum radeln Frauen oft lieber mit Frauen?

Sandra: Frauengruppen haben viele Vorteile: Gemeinsam können Frauen viel voneinander auf dem Rad lernen, sehr persönliche Erfahrungen austauschen, und sich in der Gemeinschaft fühlen. Das motiviert viele, dran zu bleiben. Ich denke aber auch, dass viele Frauen falsche bzw. negative Glaubenssätze haben, z.B. die Sorge, mit männlichen Fahrern in der Gruppe nicht mithalten zu können. Frauen unterschätzen sich tendenziell eher, als dass sie sich überschätzen. Diese Sorge haben sie nicht so sehr, wenn sie in einer Frauengruppe sind. Bei unseren Social Rides haben wir die Erfahrung gemacht, dass oft ganz unterschiedliche Typen von Frauen zusammenkommen – Anfängerinnen ebenso wie Frauen, die schon seit Jahren fahren. Mit unterschiedlichem Material, und teilweise sehr unterschiedlichem Leistungsniveau. Und dennoch war das Gemeinschaftsgefühl immer sehr stark, weil der soziale Faktor wichtiger war als der Trainingseffekt.

Bildquelle: https://mycyclingcamp.com/

Im Mai 2021 findet wieder das MyCyclingCamp statt. Das MyCyclingCamp ist ein Rennrad-Camp von Frauen für Frauen. Drei weibliche Guides sind mit am Start: Christiane Schrimpf, Sonja Hohenberger und Monika Sattler. Durch ihre langjährige Erfahrung, haben sie Einblicke, welche Unterschiede es zwischen Männern und Frauen im Radsport gibt. Christiane Schrimpf fährt seit vielen, vielen Jahren Rennrad und Mountain Bike. Sie leitet zusammen mit Sonja Hohenberger das Camp. Beide haben gemeinsam den Ötztaler Radmarathon erfolgreich gemeistert und hat Freude daran, ihr Wissen rund um den Rennrad-Sport weiterzugeben.

Christiane: Ich finde es natürlich für uns Frauen super, dass sich der Radsport langsam, aber sicher immer mehr etabliert. Was im Radsport für Frauen anders ist als für Männer? Nun, aus meinen Erfahrungen mit Frauen im Hobbybereich kann ich schon einiges ausmachen. Das fängt schon damit an, dass sich viele Frauen einfach immer noch nicht trauen das Rennradfahren einfach mal auszuprobieren. Vor allem „keinesfalls“ 😉 mit ihren Männern. Ich habe in meinen vielen Radsportcamps oftmals erzählt bekommen, dass gerade beim Rennradfahren der erste Schritt auf‘s Rad mit den dünnen, wackeligen Reifen großen Mut erfordert. Und das können viele Männer wahrscheinlich gar nicht nachvollziehen. Von Frau zu Frau langsam an das Rad, die Schaltung, die „komischen“ Bremsen heran geführt zu werden, macht es den Mädels deutlich einfacher. Und das es am Anfang auch noch nicht auf die Geschwindigkeit ankommt, sondern erst einmal auf das eigene Gefühl, die Sicherheit auf dem Rad, das ist für viele eine große Hilfe. Bzgl. Training habe ich die Erfahrung gemacht, dass man Frauen einfacher erklären kann, dass schon eine lockere „Spazierfahrt“ einen tollen Trainingseffekt auslösen kann. Und wenn sie dann von mal zu mal merken, dass es fast von alleine immer schneller wird, dann macht es natürlich besonders viel Spaß! So bleibt die Motivation hoch und man bzw. Frau 😉 steigt nicht nach einer Ausfahrt völlig k.o. vom Rad. Das passiert nämlich größtenteils nach Trainingseinheiten in gemischten Gruppen (Frauen u. Männer), bei denen man sich fast nur auf das Hinterrad vom Vordermann konzentrieren musste.

Felicitas Kistler ist aktive Amateur-Radsportlerin und nimmt immer wieder an Wettkämpfen teil, bei denen sie sich regelmäßig mit anderen Frauen misst und austauscht. Ihre eigene Homepage steht in den Startlöchern.

Name:Felicitas Kistler
Alter:36 Jahre
Wohnort:Landshut
Verein:Team Baier Landshut
Aktiv seit:2014
Pers. Erfolge:2. Platz RTF Bezirk Niederbayern – Damen 4. Platz Drei-Länder-Giro 13. Platz Alto Algarve, Portugal

Wie lange betreibst Du schon Radsport?

Felicitas: Ich bin erst relativ spät zum Radsport gekommen und fahre seit guten 7 Jahren aktiv beim Team Baier Landshut. Gestartet bin ich mit den regionalen RTFs, da die Strecken gekennzeichnet sind und immer Mitstreiter gefunden werden konnten. Über die Jahre habe ich mich auf lange Radmarathons und Bergfahren spezialisiert, bei denen Männer und Frauen gemeinsam am Start stehen. Rennen mit Zeitmessung baue ich hin und wieder ein, um meinen Marktwert zu testen. Ein tolles Tool im Winter ist hierfür auch die Indoor-Variante mit ZWIFT: hier können die Ausfahrten als gemischte Version oder Ladies Only gewählt werden. Sich international zu messen macht unglaublich Spaß – die Mädels kennen keine Gnade! Zugleich halten wir unsere Team Baier Trainings auch während der Corona-Zeit 2x wöchentlich auf ZWIFT ab und freuen uns, über das stetig wachsende Team. 

Was ist für Dich der Unterschied zwischen Männern und Frauen im Radsport?

Felicitas: Der Radsport ist nach wie vor eine Männerdomäne. Auch ich trainiere und fahre hauptsächlich mit Männern. Derzeit verspüren wir im Team Baier eine kleine Wende, sodass sich uns auch wieder mehr Frauen anschließen. Viele Frauen legen meiner Meinung nach nicht so viel Wert auf Leistungsmessung, einen direkten Vergleich und die Technik. Unbegründete Ängste, Hemmschwellen und nach wie vor viele Vorurteile halten leider oft talentierte Mädels ab. Im Triathlon- oder Laufbereich hingegen gibt es wesentlich mehr Frauen. Die Konkurrenz zwischen Männern und Frauen ist immer noch ein großes Thema. Von einer Frau überrundet zu werden, kratzt stark am Männerego und ist nicht gerne gesehen. Das Training mit Männern finde ich persönlich sehr gut, da es mich da hingebracht hat, wo ich jetzt stehe. Auch als Frau musst Du wissen, wie man einen platten Reifen wechselt und wie Du Dich im Notfall alleine versorgst – das lernt man am besten von den Radkollegen. Beim Rennen selbst sehe ich keine großen Unterschiede zwischen Mann und Frau. Im Rennmodus ist jeder fokussiert und will gewinnen.

Wie sind Deine Erfahrungen in Trainingscamps hinsichtlich der Bedürfnisse von Männern vs. Frauen?

Felicitas: Ich kenne die Trainingscamps von Sebastian Baldauf, der sowohl gemischte Camps als auch Womens-Camps nur für Frauen anbietet (Homepage-Baldiso). In Trainingscamps zeigt sich, dass jeder Radsportler anders ist. Jeder hat sein ganz persönliches Talent. Dies gilt es zu entdecken und dann gezielt auszubauen. Meistens versucht man, in allem besser zu werden und den Körper zu etwas zu zwingen, das er nicht oder nur für eine begrenzte Dauer leisten kann. Fördert man jedoch gezielt sein Talent, ist die Erfolgsquote wesentlich höher. Männer fokussieren sich oft zu sehr auf Leistung. Frauen nehmen auch mal davon Abstand. Entgegen der allseits verbreiteten Meinung „nur ein starker Wille zählt und siegt“, spielt das Unterbewusstsein mit 90% die Hauptrolle bei all unseren Entscheidungen. Die eigene Mitte zu finden ist auch für den sportlichen Erfolg ein entscheidender Faktor. Sebastians Schlüssel zum Glück beziehungsweise zum Erfolg ist sein Mentaltraining, das er auch in seinen Camps leert. Das ist sowohl für Männer als auch für Frauen eine einzigartige Methode.

Das Engagement dieser Frauen im Radsport macht Mut und ist die beste Voraussetzung dafür, dass Frauen sowohl der Einstieg in den Radsport erleichtert wird, als auch die Gleichwertigkeit zu Männern hergestellt wird. Danke euch vielmals!

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