Über 4000 Starter stehen dieses Jahr wieder an der Startlinie in Sölden beim wohl bekanntesten Radmarathon: dem Ötztaler Radmarathon. Die meisten Starter sind ambitionierte Amateure und führen neben ihrem Training ein ganz „normales“ Privatleben. Doch wie vereint man Job, Familie und Zeit für Freunde mit dem nötigen Training für die 227 Kilometer und 5500 Höhenmeter eines Ötztalers? Hier Einblicke in meinen (Trainings-)Alltag und mein 9-tägiges Trainingslager in den Dolomiten.

Coaching ja oder nein? Einfluss von Hormonen
Viele Athleten holen sich zur Vorbereitung auf den Ötztaler Radmarathon einen Coach. Das ist nicht die schlechteste Idee, da man so den Mental Load der Trainingsplanung outsourct. Der Nachteil ist, dass die allermeisten Coaches es nicht leisten können (oder man es sich nicht leisten kann zw. will einen Coach entsprechend zu zahlen), sich in enger Abstimmung mit den Athleten zu stehen, um das Training an die Belastung des Alltags anzupassen. So richtet sich das Training fast ausschließlich nach bereits durchgeführtem Training und anstehenden Einheiten. Individuelle Belastungen wie beruflicher Stress, Reisen, schlechter oder geringer Schlaf, Ernährung etc. werden kaum berücksichtigt. Besonders bei Frauen kommt noch ein weiterer Faktor hinzu: die Hormone.

Am Radmarathon nehmen viele Frauen in der Altersklasse Master1 und Master2 (bis 50. bzw. 60. Lebensjahr) teil. Viele davon finden sich in den Wechseljahren. Die Auswirkungen der Wechseljahre beginnen bereits vor den unmittelbaren Wechseljahren, die sich wiederum bis zu einem Jahrzehnt hinziehen können. Medizinisch besteht hier noch viel Forschungsbedarf und von Frau zu Frau gibt es mitunter große Unterschiede. Dies kann ein Coaching gar nicht richtig abdecken. Für Frauen vor den Wechseljahren, gibt es zwar Empfehlungen hinsichtlich eines zyklusbasierten Trainings, aber auch hier sind die individuellen Unterschiede riesig. Ich persönlich habe bei mir eklatante Unterschiede zu den sonst üblichen Empfehlungen festgestellt. Mein härtestes Training findet am besten um Zyklustag1 statt. Sowohl mein Energiestoffwechsel, als auch meine Regeneration sind durch den niedrigen Stand weiblicher Hormone maximiert. Im Gegenzug dazu erziele ich schlechte relative Leistung durch Anstieg des Progesterons und Abfall des Testosterons in der zweiten Zyklushälfte. Ja richtig gelesen: das Testosteron ist während des Zyklus nicht konstant und generell ist der weibliche Testosteronspiegel im Blut viel höher als die Konzentrationen der weiblichen Hormone. Das wird bei 99 Prozent der Artikel und Ratschläge zum weiblichen Zyklus schlicht nicht erwähnt (vielleicht weil alle „Experten“ voneinander abschreiben anstatt selbst zu recherchieren. Aber das ist Stoff für einen anderen Blogartikel.)
Kurz: sich einen Coach zu holen ist nicht verkehrt, überdurchschnittliche Ergebnisse sollte man sich aber nicht erwarten. Ausnahme ist bei enger Abstimmung mit dem Coach gegeben, wie es zum Beispiel die zweimalige Siegerin Janine Meyer durch ihren Ehemann und Coach Michael genießt.

Da mein Training fast ausschließlich in der Ebene stattfindet und ich dieses Jahr ständig mit Kinderkrankheiten zu kämpfen hatte, fehlten mir zu meinen Umfängen die Intensitäten. Um die eigene VO2max einschätzen zu können, kann ein 5 Minuten Allout-Test gemacht werden, bei dem anschließend die Leistung mit dem Körpergewicht normiert wird. Die VO2max kann zwar vom Wert her nicht ermittelt werden, jedoch kann ein Vergleich mit der Tabelle von Allen&Coggan (siehe unten) zeigen, wie hoch die VO2max-Leistung (geschätzt an 5 Minutenleistung) in etwa ist. Um meine VO2max einzuschätzen, nutze ich ein längeres Strava-Berg-Segment. Meine Beine waren zwar am Testtag eher müde vom Training der Vortage, da ich aber selten alleine trainiere, wollte ich die Gunst der Stunde zu einem Test nutzen. Obwohl ich das ganze Jahr über KEIN einziges Mal Intervalle über der Schwelle gemacht hatte und hauptsächlich im unteren Grundlagenbereich trainiert hatte, war mein resultierender Wattwert (5,2w/kg) „excellent“. Dies zeigt, dass die Theorie: viel Sauerstoff durchs System zu „jagen“, um die Sauerstoffaufnahme zu erhöhen wirkt. Und das auch, wenn die hohe Menge an Sauerstoff nicht durch Intensität, sondern durch Umfänge erreicht wird. Was mir aber im Training fehlte, waren die Intensitäten, um meine Laktatschwelle entsprechend anzuheben.

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Training mit der Brechstange
Alles oder nichts. So kann man es nennen, wie ich den Radurlaub aka Trainingslager in den Dolomiten gestaltet habe. In den 9 Tagen habe ich meine Jahreshöhenmeter verdoppelt. Knapp 30.000 Höhenmeter in 9 Tagen.
Vorgenommen hatte ich mir in etwa 3000 Höhenmeter täglich, hauptsächlich im Grundlagentempo. Das vertrage ich erfahrungsgemäß gut. Ich regeneriere dabei und steigere meine FTP ohne intensive Intervalle fahren zu müssen. Wie das möglich ist? Durch die dicken Gänge, die man am Berg drückt, wird der Muskel stärker gefordert und der Laktatumsatz wird trainiert. Dafür gibt es im Radsport noch keine Metrik. Alles dreht sich um Watt und Bereiche. Die Physiologie wird nur unzureichend erfasst. Man trainiert aber keine Metriken, keine Watt in Bereichen, sondern einen Körper. Selbst die gemessenen Laktatwerte im Blut sind und bleiben was sie sind: Werte im Blut. Was im Muskel passiert, wieviel Laktat dort produziert und verbraucht wird, kann man durch Laktatkonzentrationen im Blut nicht messen. Auch das Training in der Höhe hat einen leistungssteigernden Effekt. Dieser ist bis heute nicht vollumfänglich verstanden. Aber es gibt ein Prinzip nachdem unser Körper und alles in der Natur funktioniert: Leben passt sich an die Herausforderungen an, die ihm gestellt werden. So gilt es das Training insbesondere vor dem Wettkampf spezifisch zu gestalten. Leider ist mir das aus familiären und beruflichen Bedingungen kaum möglich. Dennoch konnte ich durch den kurzen Bergaufenthalt meine FTP deutlich steigern und hoffe die Form einigermaßen bis Ende August konservieren zu können.

Radfahren in den Dolomiten
Wer in den Dolomiten im Sommer Radurlaub macht, sollte die Höhenlage mit beachten. Selbst im Sommer ist die Lufttemperatur dort eher gemäßigt. Morgens und auf den Passanhöhen können die Werte einstellig sein. Ohne Sonnenschein im Schatten und bei Abfahrten wird es schnell kalt. Dieses Jahr fiel mein Besuch der Dolomiten in die Hitzewelle in Zentraleuropa. Während es zu Hause in Deutschland Höchstwerte von oft über 35 Grad gab, lag in den Dolomiten die Lufttemperatur in der Spitze nur um die 25 Grad. Allerdings hat man beim Klettern am Pass keinen Fahrtwind und die Luft heizt sich über dem Asphalt auf. Radfahren kann hier für den Körper eine größere Hitzebelastung sein, als im Fahrtwind in der Ebene. Dazu kommt, die Sonneneinstrahlung. Gerade die Feierabendrunden zu Hause nach Feierabend finden bei eher flachem Sonnenstand statt, während man im Radurlaub tagsüber voller Sonneneinstrahlung bei Sonnenhöchststand ausgesetzt ist. Die Strahlung ist in den Bergen bei geringerer Luftdichte auch intensiver und besonders wichtig ist entsprechender UV-Schutz.
In den ersten Tagen merkte ich den Höhenunterschied und den geringeren Sauerstoffpartialdruck – schlicht „dünne“ Luft genannt – deutlich. Durch die hohen Temperaturen und das Schwitzen bei Hitze war die Belastung nochmals ungleich höher. Für mich persönlich macht die Kleidung einen riesen Unterschied und Kurzarmtrikot ist nicht gleich Kurzarmtrikot. Dicke Stoffe, die die Wärme eher speichern als nach außen geben, führen bei mir zu einem regelrechten Hitzestau auch wenn das Trikot generell atmunsaktiv ist. Tatsächlich hatte ich eine Begegnung der besonderen Art in der Abfahrt des Passo Giau, als sich ein Pärchen aus Fernost den Pass hochquälte. Beide hatten Aerohelme mit Visier auf und trugen gefütterte Langarmtrikots. Sie litten beide sichtlich unter der drückenden Hitze. Mir war es selbst in der Abfahrt zu heiß und dass nur im Trikot ohne Windweste! Natürlich kann es Sinn machen als UV-Schutz ein langärmliges Trikot zu tragen und es gibt entsprechend dünne Trikots dafür (Testbericht folgt). Gefütterte Langarmtrikots sind meiner Meinung nach aber eher mangelnder Erfahrung und falscher Einordnung der Bedingungen geschuldet.

Allerdings kann es selbst im Sommer in den Dolomiten empfindlich kalt werden und am Tag der Abreise hatte es auf den Passhöhen tatsächlich über Nacht geschneit. Daher empfiehlt es sich einen Wetterumschwung einzuplanen und entsprechend wärmere Kleidung zur Sicherheit einpacken. Während meines Aufenthalts waren die Temperaturen überwiegend sommerlich mit einem stark erhöhten Gewitterrisiko ab den Mittagsstunden. Manchmal treten Gewitter nur lokal auf und nach einer kurzen heftigen Dusche, kann man wieder unbehelligt weiterfahren. Es ist aber auch nicht selten, dass es sich richtig „einregnet“. Dann entsteht ein Gewitter nach dem nächsten und die Temperaturen sinken durch die Verdunstungsabkühlung stark. Daher sollte man mindestens eine langärmlige Regenjacke bei den Touren eingesteckt haben. Ich startete meine Touren jeweils früh kurz nach Sonnenaufgang. So war es selbst bei kühlen Temperaturen am Morgen im Sonnenschein bei der Passauffahrt bereits so warm, dass ich in kurz-kurz unterwegs war. An einigen Tagen musste ich ein regelrechtes Gewitterslalom vollführen, was mir auch erfolgreich gelang. Dabei kamen aber auch mehr oder weniger Höhenmeter zusammen als ich ursprünglich geplant hatte. Die letzten beiden Tage war das Wetter nicht so beständig und ich erhöhte die Intensität meiner Touren etwas, um die geplanten Höhenmeter in weniger Zeit einzuhalten. Ich merkte deutlich, dass ich an Form gewonnen hatte. Verpflegt hatte ich mich ausschließlich selbst. Dafür nutze ich Produkte von Powerbar (20% Rabatt auf powerbar.eu mit Code PBLB-20*). Gels gibt es bei härteren Passagen mit höherer Intensität oder wenn zum Ende der Tour noch ein kurzer Energiekick gewünscht ist. Für das Training nutze ich hauptsächlich ein Kohlenhydratverhältniss von Glukose zu Fruktose von 2:1, da dies besonders verträglich ist. Für intensivere Einheiten und zur Wettkampfvorbereitung gerne auch 5:4. Ansonsten esse ich hauptsächlich Energieriegel und PowerbarShots-Gummibärchen. Diese verschaffen mir einen anhaltenden Energieboost ohne Leistungsabfall. Sind meine Flaschen mit Isopulver leer, fülle ich sie an öffentlichen Brunnen oder Cafes auf. Als Frühstück gibt es eine große Schüssel Haferflockenporridge mit Proteinpulver. Ich achte darauf, dass ich morgens 30 Gramm Protein zuführe. Zum einen wird der sich über Nacht einstellende katabole Zustand unterbrochen und zum anderen zirkulieren die Aminosäuren die nächsten Stunden auch während des Trainings im Blut. Bei längeren Touren nehme ich mitunter einen Proteinriegel mit oder Energieriegel mit erhöhtem Proteingehalt (Energize Original Cookies). Längere Pausen gab es bei mir nicht. Zum einen weil ich möglichst früh wieder zurück sein wollte und zum anderen weil die Abfahrten an sich schon eine gewisse Pause darstellen. Meine Standzeit versuchte ich so auf unter 30 Minuten zu begrenzen, was durch die warmen Temperaturen auch meistens gelang. Nach der Tour versorge ich mich unmittelbar mit kurzkettigen Kohlenhydraten und schnellverdaulichem Protein wie RecoveryDrinks und Proteinriegel. Das Abendessen ist dann protein- und kohlenhydrathaltige Mischkost mit Gemüse oder Salat.
Bestes Café der Sella Ronda
Geheimtipp und ein Muss auf der Sella Ronda ist ein Abstecher ins Café Erica (Garni Pâtisserie) in Arabba mit italienischem Eis und den besten Kuchen und Strudeln. Das Hotel/Café liegt am Ortsausgang bergab auf der linken Seite Richtung Marmolata (GoogleMaps).
Komische Geräusche des hinteren Freilaufs
Ein grosses Dankeschön geht an das Team von BreakOut in Corvara und den Inhaber und Snowboard-Weltmeister Ivo Rudiferia. Am 5. Tag war mein Freilauf plötzlich extrem laut – ok, der Rose-Freilauf ist auch so sehr laut, so dass ich keine Klingel brauche, weil sowieso jeder Fußgänger zur Seite springt sobald er mich mit dem Freilauf kommen hört. Das Geräusch machte sich aber auch in einer Vibration bemerkbar und ich stand dann abends um 17 Uhr bei Ivo im Laden, um die Ursache überprüfen zu lassen. Ich bekam mein Rad um 19 Uhr wieder (!). Diagnose: Lager des Hinterrads kaputt. Wurde umgehend ersetzt und ich konnte am nächsten Tag mein Training fortsetzen. DANKE Ivo!
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