„Wenn Du Gott zum Lachen bringen willst, dann erzähle ihm von Deinen Plänen.“ Dieser Satz ist wahr und passt besonders für das Jahr 2020 wie die Faust aufs Auge. Leider trifft er viele Menschen weltweit sehr hart. Ich möchte mich hier jedoch nicht über die Folgen der Corona-Krise auslassen. Ich möchte zeigen, wie kurzfristige Planungen zu grandiosen Erlebnissen werden können.
Mein Saisonhöhepunkt sollte eigentlich im August 2020 stattfinden. Urlaubspläne wurden mit Corona durcheinandergewirbelt und plötzlich sollte das Saison-Highlight doch im Juli 2020 auftauchen. So standen ein paar freie Tage im Juli ins Haus und natürlich will ein Radfahrer nur eins: Radfahren. Im Sommer zieht es die Rennradfahrer in die Alpen. Pässe sind nur wenige Monate im Jahr geöffnet und ohne Frostbeulen fahrbar. Das Wetter kann man sich aber nicht aussuchen und dieses Jahr standen Anfang Juli einige Gewitterlagen ins Haus. Wer in den Alpen einmal von einer Kaltfront mit Gewittern erwischt wurde, der vergisst das Erlebnis sein Leben lang nicht. Ich hatte 2017 das Vergnügen in der Schweiz und musste im eiskalten Dauerregen mit Gewitter von Andermatt 55 Kilometer nach Biasca fahren. 15 Grad Temperatursturz, vor Kälte bibbernd, nass bis auf die Haut und kaum Bremswirkung mit Felgenbremsen auf rutschigem Asphalt.
2020 wurde das Urlaubsziel innerhalb weniger Minuten auf gut Glück mit dem Finger auf der Landkarte gewählt. Südtirol, nicht zu weit in den höheren Lagen, was erhöhte Gewittergefahr und kalte Temperaturen bedeuten hätte können. Aber auch nicht zu weit weg von den schönen Dolomitenpässen. Die Wahl fiel zunächst auf Tesero als Standort. Tesero, eine kleine Stadt mit rund 3000 Einwohnern im südlichen Trentino, eingebettet zwischen den Pässen des Giro d’Italia.
Nur ein dummer Tourist am Manghen Pass
Gleich am ersten Tag brach ich zeitig auf, da ab Mittag mit den ersten Gewittern zu rechnen war. Ich entschied mit für die Auffahrt auf den Manghen Pass. Mein Plan war oben nach dem Wetter zu sehen und bei guten Bedingungen die Abfahrt nach Castelnuovo im Suganertal zu wagen, um dann auf kürzestem Wege wieder über den Manghen zurückzufahren. Die Nordauffahrt des Passo Manghen ist gemäßigt steil und führt lange Zeit durch Wald. Der Verkehr an Autos und Motorrädern hielt sich stark in Grenzen und das, obwohl es Sonntag war. Die Corona-Lage lockt verhältnismäßig wenige Urlauber nach Norditalien. Auf dem Gipfel angekommen, traf ich auf die ersten hauptsächlich italienischen Radfahrer, die von der Südseite her den Pass erklommen. In der Abfahrt sah ich weitere Radfahrer die sich mit schmerzverzerrtem Gesicht den Berg hinaufquälten. Es wehte mir ein warmer Wind auf der Südseite entgegen. Windweste, maximal noch Armlinge, war alles, was man in der Abfahrt anziehen musste. Ich besorgte mir in Castelnuovo angekommen neues Wasser und trat umgehend den Rückweg an. Die Sonne schien noch immer, aber Gewitter können sich ruck zuck in den Bergen entwickeln. 2019 war ich das erste Mal am Manghen Pass und fuhr ebenfalls von der Südseite her hinauf. Die heißen Bedingungen waren mir noch in Erinnerung, aber dieses Jahr war es besonders krass. Die Luft stand und mit der mickrigen Geschwindigkeit bergauf, gibt es keinen kühlenden Fahrtwind. Die Sonne knallte. Mein Garmin zeigte knapp 35 Grad. Ich hatte Gott sei Dank genug zu trinken dabei. Der Schweiß rann in Strömen. Ich war so nass als hätte ich in einer Badewanne gesessen. Selbst auf 1000 Metern Seehöhe war es unerträglich. Mittlerweile war kein Radfahrer mehr weit und breit zu sehen, nur ein Pärchen, dass mir bergab entgegen kam sah ich auf der Straße und ein weiteres Pärchen auf halber Höhe in einem Bergkaffee sitzen. Dabei war es erst kurz nach Mittag. Natürlich! Wie konnte ich nur so dumm sein, die Hitze zu unterschätzen!? Kein Einheimischer, kein Italiener kommt auf die Idee nach dem Mittagsläuten die Südseite des Manghen im Sommer hochzufahren. Ich war halt einfach ein dummer Tourist. Die letzten Höhenmeter am Manghen sind steil mit zweistelligen Prozenten und auch hier war es noch super warm. Schlußendlich kam ich trocken an und war nach einer schnellen Abfahrt bei den ersten Gewittertropfen zurück in der Unterkunft.
Die nächsten Tage ging der Reigen mit den Gewittern in die nächsten Runden. Täglich musste man zeitig aufbrechen und den Gewittern sprichwörtlich ausweichen. Manchmal gelang es und manchmal gelang es weniger gut. Eine Tour von früh bis spät war daher vorerst nicht geplant. Trotzdem wurden die Pässe Manghen, Redebus, Rolle, Valles, Pordoi und das Colle Santa Lucia weitestgehend trocken befahren. Am Passo di San Pellegrino aber erwischte mich an einem Tag ein heftiger Gewitterguss. Völlig durchnässt und dreckig, aber wohlbehalten kam ich zurück. Die schönste Fahrt von allen, war die einsame Rundfahrt mit Highlight Nigerpass. Von Tesero aus nach Westen über dann sehr einsame Straßen, kleine Pässe und menschenleere Skidörfer erreicht man von Richtung Bozen den Nigerpass. Bei der Auffahrt hat man den Rosengarten im Blick und oben auf der Passhöhe gab es einen leckeren Apfelstrudel. Am letzten Tag in Tenero nutze ich die Lücke in den frühen Morgenstunden, um eine kleine Rund über den Passo di Pramadiccio ein Stück den Passo di Lavaze zu erklimmen und das Reiterjoch zu bewundern. Es wurde aber nur eine kurze Tour, denn bereits Vormittag donnerten die ersten Hagel nieder. Dafür gab es noch einen Ratsch mit dem Besitzer der Unterkunft, der ein alteingesessener Rennradfahrer war. Die letzten Tage sollte noch ein Standortwechsel erfolgen: auf nach Arabba, auf zur Sella Ronda.
Maratona dles Dolomites
Wie so vielen anderen Radsportevents 2020, so hat Covid auch dem Maratona dles Dolomites das Genick gebrochen. Anfang Juli sollte die beliebte Rundfahrt auf den verschiedenen Strecken stattfinden. Viele Radsportler ließen sich aber den Spaß durch Corona nicht nehmen und reisten trotzdem in die Sella Ronda Region.
Die berühmten Pässe sind wunderschön und sollten den Abschluss des Sommerurlaubes darstellen. In den Dolomiten kann man sich als Bergfahrer richtig austoben. In unterschiedlichsten Kombinationen kann man über das Sella und Grödner Joch, die Pässe Campolongo, Fedaia, Pordoi, Falzarego und Valparola heizen. Alleine ist man dabei quasi nie. Meine schönste Entdeckung war der Passo di Giau, den ich dieses Jahr zum ersten Mal befahren habe, dabei von beiden Seiten. Und was soll ich sagen? Landschaftlich ein Traum. Die Auffahrt wenig steil und die Abfahrten schön rund, kurvig und schnell. Ein kleiner Abstecher in den Nationalpark Drei Zinnen war auch dabei. Als letzte ganztägige Tour an Tag 10, wurde das Würzjoch besucht und als Belohnung für die steile Auffahrt gab es das alljährliche Gulasch in der Wirtschaft auf der Passanhöhe. Am Abreisetag machte ich mich früh auf die Socken und fuhr noch einmal genußvoll die Sella Ronda als Abschiedstour. So kamen in gut 10 Tagen 1200 Kilometer und 30.000 Meter zustande. Nichts war beabsichtigt, nichts war in dieser Weise geplant. Um ehrlich zu sein, war es eine mickrige Planung. Wer hätte gedacht, dass es in einer großen Geschichte enden würde! Was für eine herrliche und unvergessliche Landschaft. Mein Highlight 2020… bis dato 😉
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