Laktatbildungsrate und Performance – Laktattransport und Bedeutung von Laktat (Laktat Teil2)

Im ersten Teil der dreiteiligen Reihe zum Thema Laktat wurde die Entstehung von Laktat erläutert. Es wurde erklärt, dass Laktat an der Energiegewinnung beteiligt ist und die Kohlenhydratverwertung auch bei hohem Energiebedarf aufrecht erhält. Laktat kann aber noch mehr. Es ist eine Art Signalmolekül und wird im Körper in die unterschiedlichsten Gewebearten transportiert. Der Transport von Laktat hat dabei einen entscheidenden Einfluss auf die Leistungsfähigkeit eines Sportlers.

Laktatverwertung und Signalgeber im Körper

Um die Energiegewinnung aus Kohlenhydraten selbst unter hohen Belastungen zu gewährleisten, entsteht Laktat. Und um den Prozess der Energiegewinnung weiter aufrechtzuerhalten, wird Laktat wieder beseitigt. Die Laktatoxidation ist quantitativ das wichtigste Mittel zur Beseitigung von Laktat. Wie im ersten Teil erläutert, wird dabei Laktat in den Energieträger Pyruvat umgewandelt, wodurch die Energiegewinnung aus Kohlenhydraten (hauptsächlich aus dem Einfachzucker Glukose) unterstützt wird. Darüber hinaus kann das entstandene Pyruvat – neben der Neugewinnung von Glukose (durch Glukoneogenese, siehe unten) – auch der aeroben Energiegewinnung über die Mitochondrien dienen. Es hat sich gezeigt, dass im Körper sowohl Laktat als auch Pyruvat zwischen Geweben ausgetauscht und über die Blutbahn transportiert werden und bei Bedarf ineinander umgewandelt werden. Laktat ist ein wichtiger und potenter Energieträger für den Körper! Die Oxidation von Laktat macht mit über 75 Prozent den Löwenanteil bei der Verwertung von Laktat aus. Das Konzentrationsgefälle von Laktat (Laktatgradient) zwischen Muskel und Blut könnte dabei ein wichtiger Faktor sein, der bestimmt, ob Laktat vom Muskel aufgenommen oder abgegeben wird, unabhängig davon, ob der Muskel aktiv ist oder nicht.

Der zweite wichtige Weg der Laktatverwertung ist die Neugewinnung von Glukose (Glukoneogenese). Ein Fünftel des Laktats wird zur Neugewinnung von Glukose eingesetzt. Die Leber ist in der Lage anfallendes Laktat, welches von der Muskulatur ins Blut abgegeben wird, durch spezielle Enzyme in Glukose zu verwandeln und wieder ins Blut abzugeben, um wieder zum arbeitenden Muskel transportiert zu werden. Dieser Prozess wird Cori-Zyklus genannt. Unter starker Belastung könnte dieser Vorgang beeinträchtigt werden und zu einem weiteren Anstieg des Blutlaktats führen. Die Wissenschaft hat hier noch viele offene Fragen zu beantworten. In der Regenerationsphase nach dem Training spielt Laktat ebenfalls eine Rolle. Die Glykogenbildung im Muskel hängt in erster Linie von Glukose ab. Dennoch scheint ein nicht unwesentlicher Anteil der Muskelglykogenbildung in schnellzuckenden Muskeln über Laktat von statten zu gehen, vor allem unmittelbar nach dem Training, wenn die zirkulierenden Laktatspiegel erhöht sind. Dass Laktat auch beim Menschen zur Regeneration des Glykogens verwendet wird ist sicher. So wird praktisch die gesamte neu gebildete Leberglukose in den Blutkreislauf abgegeben und dient als Vorläufer für die Glykogenauffüllung der Herz- und Skelettmuskeln. Die Glykogendepots in der Leber werden zunächst nicht wiederhergestellt und das Muskelglykogen wird erst nach einer erneuten Nahrungsaufnahme vollständig wiederaufgefüllt sein. Bei Belastungen mit niedriger Intensität kann der Glukoseflux und die Glukoseoxidation vom Körper bei gleichzeitig steigendem Laktatflux und -oxidation sogar zurückgefahren werden. Laktat kann als Kohlenhydratquelle genutzt und die vorhandene Glukose eingespart werden. Vermutlich wird Laktat auch in Glykogen umgewandelt, wobei der genaue Prozess noch unbekannt ist. In Tierversuchen wurde gezeigt, dass die schnellzuckenden Muskelfasern Laktat sehr rasch in Glykogen umwandeln können. Laktat spielt nicht nur eine Rolle bei der Energiebereitstellung. Es agiert auch als Signalmolekül, weshalb ihm auch die Bezeichnung „Laktathormon“ zukommt. Die Funktion des Signalmoleküls scheint u.a. die Anpassungen an die Belastung zu steuern. Dies betrifft u.a. die Wundheilung und Gefäßneubildung, Pseudo-Hypoxie, Veränderung der Genexpression bestimmter Stammzellen, Sympathikus-Regulation und die neuronale Signalübertragung auf zellulärer Ebene. Auch hier steckt die Forschung noch in den Kinderschuhen.

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Transport von Laktat

Über welche Wege Laktat im Körper transportiert wird, ist Gegenstand neuerer Untersuchungen. Das entstehende Laktat wird nur zu einem geringen Anteil durch die Muskelmembran hindurch-diffundiert. Laktat kann zwischen den unterschiedlichen Muskelfasern über eine Art „Zell-Zell-Shuttle“ ausgetauscht werden, ohne dass das Laktat dafür ins Blut übertreten muss. Zum Beispiel kann das anfallende Laktat damit in schnellzuckenden Muskelfasern (Netto-Quelle) rasch zur Verwertung zu oxidativen Fasern (Netto-Senke) transportiert werden. Messung des Blutlaktats bleibt daher davon unberührt. Die Abgabe ins Blut und der Transport zu Organen passiert mit Hilfe spezieller Transportsysteme. Es handelt sich um bestimmte Membranproteine, die Monocarbocylat-Transporter MCTs, die den Übertritt vom Muskel ins Blut regeln. MCTs kommen überall im Körper vor, unterscheiden sich dabei mitunter in ihrer Art von Gewebe zu Gewebe. Es gibt mehr als ein Dutzend solcher Isoformen der MCTs. Die Formen weisen dabei unterschiedliche Eigenschaften auf. Gewebe mit zahlreichen MCT1-Typen favorisiert die Laktataufnahme. Dazu gehören die oxidativen Fasern. In glykolytischen Fasern dominiert die MCT4-Form, welche die Laktatabgabe forciert. Es hat sich gezeigt, dass Ausdauertraining die metabolische Kapazität der Laktatverwertung und den Membrantransport verbessert, indem die Anzahl der MCT1 in der oxidativen Muskulatur steigt. Die MCTs beeinflussen nicht nur die Höhe des Blutlaktats, sondern haben auch eine Auswirkung auf die Leistungsfähigkeit. Der Transport durch die MCTs kann eine gewisse Sättigung aufweisen und auch behindert werden. Analysen haben gezeigt, dass Laktat und Wasserstoffionen H+ dabei immer zusammen im Verhältnis 1:1 transportiert werden. So werden die Transporter auch Laktat/H+-Kotransporter genannt, durch die mit dem Laktat immer auch Wasserstoff aus dem Muskel entfernt wird. Dies ist wichtig für den pH-Wert des Gewebes. Mit dem Laktat werden zudem metabolische „Abfälle“ entfernt und die Funktionen der verschiedenen Gewebe während der Belastung koordiniert. Vor allem unter kurzen, intensiven Belastung spielen die Transporter hier eine entscheidende Rolle. Neuere Untersuchungen fanden sogar für den Laktattransport in die Mitochondrien MCT-Transporter (mMCTs). In Mitochondrien selbst findet ebenfalls eine Oxidation von Laktat statt (Es wurde eine LDH-Form der Mitochondrien gefunden, das mLDH). Die MCT-Dichte zeigt bei gut trainierten Sportlern nicht nur in der Muskulatur sondern auch in anderem Gewebe und Zellen, wie denen des Herzens, des Gehirns oder den Blutkörperchen, höher zu sein als bei untrainierten Personen. Der Zahl und Funktion der Laktattransporter kommt eine zentrale Rolle in der Leistungsfähigkeit eines Sportlers zu.

Laktatbildungsrate

In der Trainingslehre wird aktuell oft von der „Laktatbildungsrate“ gesprochen. Um die Ausdauerfähigkeit zu steigern, soll eine geringe Laktatbildungsrate angestrebt werden, welche u.a. durch eine bessere Fettverbrennung und geringere Nutzung von Glukose verursacht wird. Für Sportler mit Wettkampfzielen, die kurze hochintensive Belastungen erfordern, soll die Laktatbildungsrate nicht zu niedrig sein, da sonst keine hochintensiven Leistungen mehr erbracht werden können, weil der Körper mutmaßlich die Fähigkeit ausreichend Laktat zu bilden verloren hätte. Die Laktatbildungsrate wird hierbei aus Messungen des Blutlaktats abgeleitet. Die Höhe des Blutlaktats und dessen Anstieg mit steigender Belastung werden dafür notiert bzw. analysiert. Die oft zitierte und verwendete „Laktatbildungsrate“ bezieht sich also auf die Messwerte im Blut und nicht zwingend auf die reale Rate der Laktatbildung! Es ist richtig, dass eine gesteigerte Glykolyserate bei zunehmender Belastung mit einer Zunahme der Blutlaktatkonzentration einhergeht, und dass die schnellzuckende Muskelfasern – vor allem bei kurzen und intensiven Belastungen – eine höhere Laktatbildung aufweisen. Dennoch haben gut trainierte Sportler tendenziell eine niedrigere Laktatkonzentration im Blut, da sie u.a. in der Lage sind Laktat besser zu verwerten und nicht weil sie ausschließlich weniger Laktat produzieren würden. In einer 1992 im Journal of Applied Physiology (siehe unten) veröffentlichten Studie wurden die niedrigeren Blutlaktatwerte der Sportler gegenüber den wenig trainierten Probanden bei niedrigen Intensitäten durch eine geringere Produktion erklärt. Bei höheren Intensitäten, bei denen die Laktatproduktion der Trainierten höhere oder annähernd gleiche Werte im Vergleich zu den weniger sportlichen Personen aufwiesen, kamen die niedrigeren Laktatwerte im Blut der trainierten Sportler durch die bessere Laktatverwertung zustande. Ein verbesserter aerober Stoffwechsel trägt so zu einer besseren Laktateliminierung (lactate clearance) bei. Im Blut wird das Laktat gemessen, welches im Muskel gebildet wurde und in die Blutbahn übergetreten ist. Nicht dargestellt werden kann damit, wie viel Laktat im Muskel eliminiert wird und wieviel Laktat über den Bedarf von Herz, Gehirn etc. dem Blut umgehend (z.B. zwischen den Messungen) entnommen wird. Um die anaerobe Leistungsfähigkeit eines Sportlers abschätzen zu können, wird in Leistungstests die maximale Laktatbildungsrate VLamax ermittelt. Der Gedanke dahinter ist, dass die anaerobe, laktazide Leistungsfähigkeit durch die maximale Rate der Glykolyse und der dabei nötigen Enzyme begrenzt wird, welche wiederum von der Laktatbildung aufgrund der entstehenden H+-Ionen beeinflusst wird. Im Test wird bei kurzen hochintensiven Belastungen (i.d.R. Sekundensprints) der Gehalt und die zeitliche Änderung des Blutlaktats ermittelt, welches zum Großteil durch die schnellzuckenden Muskelfasern produziert wird. Da – wie oben beschrieben – der Gehalt an Blutlaktats nicht nur durch die Glykolyserate sondern z.B. auch durch die Laktattransportkapazität beeinflusst wird, könnten diese Faktoren auch einen Einfluss auf die ermittelte maximale Laktatbildungsrate (VLamax) haben und ggf. die Ergebnisse beeinträchtigen. Wie die Laktatmessung in der Leistungsdiagnostik eingesetzt wird und welche Fallstricke existieren, wird im dritten und letzten Teil diskutiert werden.

Nach aktuellem Stand der Forschung erfüllt Laktat durch das Pendeln zwischen Erzeuger- und Verbraucherzellen mindestens drei wichtige Aufgaben im Körper. 1. Laktat ist eine wichtige Energiequelle für die Energiegewinnung in den Mitochondrien (mitochondriale Atmung). 2. Laktat ist die wichtigste Vorstufe für die Neugewinnung von Glukose durch Glukoneogenese. 3. Laktat agiert als Signalmolekül.

Hier gehts zum 3. Teil

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Literatur zum Thema:

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