Was zieht man beim Radfahren im Winter an?

Der Winter naht, die Tage werden kürzer und die Temperaturen gehen gegen den Gefrierpunkt. Noch vor ein paar Jahrzehnten suchten sich nahezu alle Radsportler für die kalte Jahreszeit eine Alternativsportart. Laufen, Skitouren oder Langlauf standen – und stehen noch immer – hoch im Kurs. Skifahren ist jedoch nicht überall möglich und Laufen gerade bei Knieproblemen keine Option. Mit dem Boom der Fitnessstudios zog es einige Radfahrer in die angebotenen Spinningkurse. Ein paar Hartgesottene zogen ihr Training weiter in der Kälte mit dem Mountainbike durch. Mit RaphaFestive500 starteten immer mehr Rennradfahrer in die Kälte und mit dem Siegeszug der Cycloscrosser hat sich das ganzjährige Training neben den parallel wachsenden Indoor-Zwift-Communitys etabliert.

Klima-Michel und Windchill oder einfach nur sch*kalt

Gerade im Winter ist die Wahl der richtigen Kleidung eine Herausforderung. Während früher noch einige Radfahrer im Winter zu Daunenjacke griffen, sieht man heutzutage meist nur noch Ebike-Fahrer mit einer entsprechend dicken Jacke unter der sich bei körperlicher Aktivität schnell die Hitze staut. Die Bekleidungsindustrie entwickelt fortlaufend neue Funktionskleidung. Die Errungenschaften aus Sportarten mit hohem Anforderungsprofil an Kleidung wie Tauchen oder Bergsteigen, schwappen allmählich auch in den Radsport. Doch wann fühlt man sich „richtig“ angezogen? Der Deutsche Wetterdienst versucht über das sogennante Klima-Michel-Modell den Wärmehaushalt des Menschen zu beschreiben und mit Hilfe des Windchills die Abweichung der gefühlten Temperatur von der realen Lufttemperatur aufgrund der Windgeschwindigkeit zu erfassen. Egal wie gut diese Modelle und Berechnung zukünftig sein werden, jeder Mensch ist anders. So wird jede Bekleidungsempfehlung zwar für den ein oder anderen Menschen zutreffen, für andere aber nicht. Dazu kommt, dass jeder einzelne einer natürlichen Anpassung an kalte Temperaturen unterliegt. Was im Herbst noch als sch*kalt empfunden wird, ist im Frühjahr schon angenehm warm. Der menschliche Organismus hat die Fähigkeit sich an die kalten Wintertemperaturen anzupassen, wenn man ihn lässt. Wer jedoch im Winter die Wohnung auf kuschelige 22 Grad heizt und das Schlafzimmer nachts auf tropische 20 Grad hält, wird von einer Anpassung nichts spüren. Warum auch! Wer regelmäßig draußen Rad fährt, darf sich einer gewissen Aklimatisierung an die kalten Bedigungen gewiss sein.

Was trägt die Wetterfee? *

Dieses Jahr haben mich viele Fragen erreicht, was denn die Wetterfee im Winter auf dem Rad trägt. Als Wetterfee kennt man „DEN WINTER“ nicht. Die Temperaturschwankungen sind gerade mit den klimatischen Veränderungen recht groß geworden. Auch in Deutschland gibt es von Region zu Region Unterschiede. Dennoch möchte ich hier detailliert beschreiben was ich trage und zwar im Temperaturbereich von minus 2 bis plus 5 Grad. Für diesen Temperaturbereich habe ich „mein“ Outfit gefunden. Der Sonnenstand ist von November bis Februar niedrig und der Faktor Sonnenschein spielt daher bei der Wahl der Kleidung eine untergeordnete Rolle. Die aufgeführten Kleidungsstücke habe ich über die Jahre „angesammelt“ und teilweise sind sie nicht mehr auf dem Markt erhältlich. Preislich bewegen sich die Sachen im mittleren bis hohem Preissegment. Generell habe ich nichts gegen Discounterprodukte und habe dort sogar sehr günstig gute Laufklamotten erstanden. Mit Radsportbekleidung hatte ich dort noch nicht so viel Glück. Bei Kälte möchte ich keine Kompromisse eingehen. Ich bin nicht auf eine bestimmte Marke fixiert, habe aber mit bestimmten Marken bessere Erfahrung gemacht als mit anderen. Nun mein „Fahrradbekleidung Winter Ratgeber“.

Fangen wir unten an: Füße

Nach vielen Fahrten mit kalten Füßen, den unterschiedlichsten Socken und Überschuhen, bin ich bei der Lösung: Winterschuhe gelandet. Sowohl für den Crosser als auch auf dem Rennrad fahre ich mittlerweile Northwave-Schuhe. Auf dem Rennrad das Modell Extrem GTX. Die Schuhe haben eine Aluinnensohle. Hätten sie keine gehabt, hätte ich eine reingelegt. Mit den Schuhen bleiben meine Füße warm. Das Modell Celcius Arctic GTX für meine SPD-Cleats ist wärmer und hält definitiv auch bei stärkeren Minusgraden warm. Das Rennradmodell hatte ich bislang nur bis minus 4 an. Sollte es kälter werden und die Füße kalt, würde ich zusätzlich meine Überschuhe von Gore Bike Wear (Modell nicht mehr erhältlich) anziehen. Sockentechnisch trage ich sowohl dicke und günstige „Noname“ Sportsocken als auch Wintersocken von Castelli oder DHB. Sollte es noch kälter werden, würde ich meine Bergsportsocken mit Merinofaser auspacken, die ich für meine Hochtouren verwendet hatte.

Hose

Egal ob kurz oder lang, Hosen sind im Radsport eine Glaubensfrage. Übersetzt heißt es dann wohl: jeder Hintern ist anders und die Wahl des Sitzpolsters oberstes Gebot. Ich persönlich komme mit Castelli-Polstern am besten klar und daher ist das die Marke meiner Wahl bei Hosen. Gleichzeitig ist die Qualität der Castelli-Hosen sehr gut. Im Winter trage ich das nicht mehr aktuelle Modell Chic ohne Träger. Wer schon mal bei minus 2 Grad zum Wasserlassen seinen kompletten Oberkörper im Freien entblättern musste, der weiß warum ich OHNE Träger fahre. Die Hose ist im mittleren Preissegment zu finden und hat keinen speziellen Windstopper. Das Material ist jedoch gefühlt windabweisend und innen angeraut. Auf der Knievorderseite besteht die Hose aus zwei Lagen, wodurch die Beweglichkeit verbessert wird. Gehen die Temperaturen unter den Gefrierpunkt habe ich mir die Option einer Überhose offen gehalten. Die Überhose ist eigentlich eine normale Bikehose ohne Polster von VAUDE. Darüber hinaus habe ich die Castelli Sorpasso ROS Tight, die ich aber noch nicht getestet habe. Diese Hose ist laut Beschreibung wind- und wasserabweisend (für schlammige Geländetouren!) und an der Vorderseite der Oberschenkel und Rückseite zudem wärmend, wovon ich mir erhoffe, die Option Überhose nicht zu benötigen.

Handschuhe

Handschuhe sind immer eine Gradwanderung. Zu warm, schwitzt man schnell, die Handschuhe werden feucht und dann im Fahrtwind gerne kalt. Bei voluminösen Handschuhen fällt das Schalten schwer. Den Trick mit zusätzlich dünnen Seidenhandschuhen unter den dickeren Handschuhen, wende ich nur bei starken Frosttemperaturen an (in Kombination mit Röckl Winterhandschuhen). Bei längeren Touren muss man hin und wieder aus den unterschiedlichsten Gründen die dicken Handschuhe ausziehen und dann „blättern“ gerne die Seidenhandschuhe mit ab. Das Gefummel beim Anziehen mit dann meist feuchten Handschuhen nervt in der Kälte. Glücklicher Weise habe ich zufällig festgestellt, dass meine ursprünglich zum Bergsteigen gekauften Handschuhe super für kalte Temperaturen auf dem Fahrrad sind. Dabei sind die Handschuhe von Salewa nicht dick gepolstert. Ein warmes Innenfutter hält selbst bei leichten Minusgraden warm aber auch bei Plusgraden, schwitzt man nicht. Die Handschuhe sind griffig, bieten durch Gore Windstopper (heißt jetzt Infinium) perfekten Schutz und sind Touchscreen kompatible. Bei Minus 10 Grad und weniger helfen bei mir nur noch Skihandschuhe.

Kopf und Hals

Am Hals schwöre ich auf ein Schlauchtuch von Buff mit Gore Windstopper. Das Buff schirmt jedes Lüftchen ab, ist auf der Innenseite mit einem warmen Futter ausgekleidet und hat als Überschicht eine robuste Windstopper-Auflage. Das Tuch behält gut seine Form. Ich klemme die Vorderseite unter die Helmschlaufe und ziehe es über das Kinn bis zum Mund. Damit komme ich bei leichten Minusgraden super klar.

Als Mütze unter dem Helm trage ich bei über Null Grad eine Mütze mit windabweisender Stirnfront von GripGrab. Wenn es kälter ist, wechsle ich die Mütze gegen eine Windstopper-Mütze mit angerauter Innenseite von Castelli. Darüber trage ich als zusätzlichen Schutz für Ohren und Stirn ein breites Stirnband aus Polartec Fleece der Marke Haglöfs. Obligatorisch gibt es bei mir immer Watte in den Ohren. Hilft gegen Zugluft und im Sommer gegen lästige Insekten (wer einmal einen Käfer im Ohr hatte, der nicht mehr raus wollte, fährt nie mehr ohne Watte!).

Als Helm hat sich mein Aerohelm von S-Works bewährt. Da der Helm unisex ist und ich einen eher kleine Kopf habe, hat darunter alles Platz und der Helm endet eher tiefer. Aerohelme halten zudem wärmer. Wenn mir der Look egal ist und es in den strengen Frostbereich geht, ersetze ich schon mal Mütze und Radhelm mit einem Skihelm. Wenn es nicht so doof aussehen würde, wäre das immer der Helm meiner Wahl.

Oberkörper

Das Zwiebelprinzip ist natürlich das Mittel der Wahl, wenn es um kühles und kaltes Wetter im Freien geht. Dennoch habe ich festgestellt, dass zu viele Schichten auch kontraproduktiv sind. Der Schweiß kann bei zusätzlichen Schichten immer schwerer nach außen transportiert werden. Feuchtigkeit leitet Wärme vom Körper weg und man kühlt aus. Daher versuche ich möglichst meine Schichtanzahl zu begrenzen. Günstige und minderwertige Sachen trage ich auch nicht mehr unter der Jacke, da diese oft wenig atmungsaktiv sind. Für mich gibt es auf der Haut ein Unterhemd von Gore, Castelli oder DHB (meine Modelle haben ähnliche Qualität). Wenn es unter Null Grad hat, ersetze ich das Unterhemd durch ein reguläres Radtrikot mit Kragen (Atmungsaktivität!).

Das Highlight für mich das Langarmtrikot von Castelli mit Polartec Fleece. Das Modell ist leider nicht mehr erhältlich. Es ist eigentlich für kühle Wintertage ohne Jacke gedacht und hat eine leicht windabweisende Außenseite und ist dennoch super atmungsaktiv. Der Kragen hat eine extra wärmende Fleeceeinlage. Es entsteht kein Hitzestau und man ist trotzdem super warm eingepackt. Ein Traum!

Als Finish habe ich eine wasser- und winddichte Jacke von Biehler (Modell nicht mehr erhältlich) an. Die Jacke ist trotz Wasserdichtigkeit sehr atmungsaktiv. Leider ist die Jacke kurz geschnitten und bei frostigen Temperaturen wird der Bereich zwischen Steißbein und Po schnell kalt. Hier kommt meine bereits 9 Jahre alte Castelli-Jacke zum Einsatz. Sie besitzt eine Windstopperschicht und ist etwas weiter und länger geschnitten. Beide Jacken haben ein spezielles Micro-Fleece auf der Innenseite, das sehr warm hält ohne einen Hitzestau zu erzeugen.

Mein Fazit

Für Winterkleidung um den Gefrierpunkt würde ich generell Produkte mit hoher Atmungsaktivität empfehlen. Sobald Kleidung feucht oder sogar nass wird, transportiert sie Wärme vom Körper weg. Mein Indiz dafür dass ich richtig gekleidet bin, ist wenn ich beim losfahren leicht friere und überlege ob ich noch eine Schicht mehr bräuchte. Sobald der Kreislauf dann in Schwung ist, ist das Temperaturempfinden perfekt. Jeder Mensch ist anders und ich selbst merke auch dass über den Winter hinweg eine Anpassung an die kalten Temperaturen stattfindet, Stichwort Thermogenese durch braunes Fettgewebe. Nach meinen Grundlageneinheiten im Winter ist meine Kleidung nach dem Tragen warm und nur leicht feucht. Auf stark wärmende oder isolierende Schichten wie Daune oder Primaloft, würde ich erst bei Werten (deutlich) unter dem Gefrierpunkt zurückgreifen. Windabweisende Kleidung ist vor allem im hügeligen Gelände wichtig. Dadurch ist es möglich weniger warme Kleidung zu tragen, die an Anstiegen schnell zu Überhitzung oder Schwitzen führen würde, sie hält aber bei verstärktem Fahrtwind bei Abfahrten oder der Ebene warm. Wenigstens die Vorderseite von Hose und Jacke sowie Schuhe und Handschuhe sollten windabweisend sein.

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